Interview: Tierschützerin Andrea hilft Kettenhunden auf Kreta

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Andrea verbringt ihren Urlaub einmal im Jahr auf Kreta – nicht, um am Strand zu liegen, sondern um Hunden zu helfen. Aber wie und warum genau? Ich habe sie dazu interviewt: 

Andrea, erzähl doch mal, wie alles anfing mit deinem Engagement für Kettenhunde auf Kreta.

Alles fing mit dem Tünnes an, den ich vom Verein Apal auf Kreta adoptiert habe. Meine Bulldogge Frieda war schon bei mir. Irgendwann haben mein Partner und ich entschieden, uns einen zweiten Hund zu holen. Diesmal unbedingt aus dem Tierschutz.

Da ich Mitglied in einem Berliner Tierschutzverein bin, bekomme ich regelmäßig ein Mitgliederjournal mit Hunden von verschiedenen Organisationen. Da sah ich den Tünnes, der als schwer zu vermitteln vorgestellt wurde, da er mit seinen kahlen Stellen etwas anders aussieht. Ich fand ihn aber sofort schön. Außerdem tut mir das immer sehr leid, wenn jemand benachteiligt wird, nur weil er anders aussieht. Ich kenne das ja selber auch.

Er war zwar noch auf Kreta, aber zum Glück ging alles sehr schnell. Vier Wochen später war er schon hier. Mittlerweile ist er fünf Jahre bei mir. Recht bald wollte ich wissen, wie das dort auf Kreta ist. Wer hat sich um ihn gekümmert, wo war er genau? Also rief ich bei Apal an und fragte, ob ich helfen und mir alles anschauen könnte. Kurz darauf flog ich hin.

Tünnes ist der, dem du immer so hübsche Sachen anziehst, richtig?

Genau. Da er nackig ist, friert er schneller. Und im Sommer creme ich ihn ein. Darum hatte er es erst recht schwer auf Kreta mit der Sonne. Und wenn ich ihm schon was anziehen muss, dann soll es auch schick aussehen: vom ungewollten Hund zum schönen Prinzen. Ich finde es immer blöd, wenn Leute nach dem Äußeren gehen und denken, nur weil ein Hund irgendeinen Makel hat, wäre er kein genauso toller Hund wie andere. Gerade solche Hunde haben doch eine Chance verdient. Mir ist es wichtig zu zeigen, wie toll Tierschutzhunde sind.

Anmerkung: Schau auf Andreas Instagram-Kanal vorbei, wenn du ihre Hunde kennenlernen willst.

Seit fünf Jahren also fliegst du regelmäßig hin und hilfst?

Ja, viermal bisher, denn ich habe schnell festgestellt, dass die Arbeit mich sehr erfüllt. Es fühlt sich gut an, helfen zu können – obwohl es eine ganz andere Welt ist. In deutschen Tierheimen hat man ja schon Mitleid mit den Tieren, aber dort auf Kreta sind die Bedingungen noch härter. Die Menschen gehen anders mit ihren Hunden um.

Und gleich als ich das erste Mal da war, habe ich meinen zweiten Tierschutzhund von Apal mitgenommen, den kleinen weißen Pete. Er wurde an meinem zweiten Abend an einer Straße mit einer riesigen Kopfverletzung gefunden und zu Apal gebracht. Ich habe mich eine Woche lang um ihn gekümmert. Er gewöhnte sich also an mich, und als ich abreisen musste, stand er am Tor und sah mir nach. Das hat mich so berührt. Zurück zu Hause musste ich immer an ihn denken. Also haben mein Partner und ich beschlossen: Ein Hund mehr geht schon noch.

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Deine Motivation ist die Liebe zu Tieren, das ist klar. Aber kannst du das nochmal genauer beschreiben?

Ich möchte mir einfach ein paar Tage im Jahr Zeit nehmen, um mich der Arbeit dort zu widmen. Klar könnte ich auch mal an den Strand gehen, aber das will ich gar nicht, da ich weiß, dass dort Tiere sind, denen ich stattdessen helfen kann. Für mich ist es erfüllend, mich um die Tiere zu kümmern. Und ich berichte gerne darüber, weil ich die Hoffnung habe, dass andere Leute daraufhin auch Lust bekommen, etwas zu tun. Es ist wichtig, andere zu motivieren, sich ebenfalls zu engagieren, in anderen Bereichen oder für andere Vereine.

Was sind deine Aufgaben dort?

Es gibt immer viel zu tun bei Apal und natürlich bleibt viel liegen. Sauber machen, Gartenarbeit – für so etwas hat das Team meist keine Zeit, darum übernehme ich das oft. Außerdem füttere ich die Hunde. Morgens werden die Hunde-Unterkünfte gereinigt, Decken ausgetauscht, dann gehen wir mit ihnen spazieren. Gassirunden gibt es morgens und abends. Dazwischen fallen Aufgaben außerhalb des Geländes an. Das Team kümmert sich nämlich auch um etwa 440 Kettenhunde, die in den Dörfern drumherum leben. Es fällt also auch Tierschutz- und Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung an.

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Wie sieht diese Aufklärungsarbeit aus?

Die Aufklärung ist eine sehr gute Sache, denn damit setzt das Apal-Team dort an, wo das Problem entsteht. Nur Tiere aufnehmen und ansonsten geht es weiter wie immer – damit ist es nicht getan. Stattdessen versuchen sie, die Leute zum Umdenken zu bewegen, denn es ist wirklich erschreckend, wie manche Tiere dort leben. Viele Hunde sind dauerhaft an der Kette, mitten in der Pampa, werden nicht versorgt.

Übrigens war das die eigentliche Aufgabe von Apal: über die Insel zu fahren und sich in einem Umkreis von etwa 50 Kilometern um die Kettenhunde zu kümmern. Um die weiter entfernten Kettenhunde kümmern sich andere Vereine, die es zum Glück gibt. Sie verlängern die Ketten, tauschen die Halsbänder aus, stellen neue Wassereimer hin, kontrollieren die Ohren, verabreichen Wurmkuren und versorgen die Hunde medizinisch, soweit das geht.

Außerdem versucht das Team, die Dorfbewohner in die Arbeit zu integrieren. Eine ältere Dame füttert zum Beispiel die Straßenkatzen. So ändert sich hoffentlich die Einstellung zu den Tieren.

50 Kilometer und allein dort gibt es 440 Kettenhunde?

Ja, leider.

Damit ich das verstehe: Diese Hunde gehören jemandem und zum Beispiel einmal am Tag kommt der Halter und füttert sie?

Wenn es nur so wäre! Oft kommt tagelang keiner. Die große Tour, bei der alle nacheinander besucht werden, findet zweimal im Jahr statt und dauert mehrere Wochen. Man sieht da so viel Elend, das muss man erstmal verarbeiten.

Als ich das erste Mal dabei war, sah ich das Schicksal von drei Kettenhunden – das beschäftigt mich bis heute. Das ist so schlimm. Ich weiß nicht, wie die Leute vor Ort das verkraften. Deshalb denke ich mir: Ich werde ja wohl zehn Tage im Jahr Zeit haben, um mitzuhelfen. Das ist meine Motivation.

Warum sind die Hunde denn an der Kette?

Oft sind sie zum Beispiel vor Ställen wie etwa Hühnerställen angebunden, damit die Hühner vor Mardern und anderen Tieren geschützt sind. Manche hängen ihr ganzes Leben an der Kette. Denen versucht Apal, das Leben wenigstens ein bisschen zu erleichtern. Mehr darf es nicht werden, denn wir können nicht mehr stemmen. Im Winter füttern wir noch dazu 700 bis 1000 Katzen.

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Bringt es denn etwas, wenn das Apal-Team mit den Hundehaltern spricht?

Manchmal ja. Manche Hunde schaffen es dadurch von der Kette. Die Leute schaffen sich immer wieder neue Hunde an und die alten wurden früher einfach abgeknallt oder ausgesetzt. Viele rufen mittlerweile immerhin Apal an und fragen, ob die sie aufnehmen.

Man kann die Hunde leider nicht einfach von der Kette nehmen, um sie zu retten, denn das spricht sich herum. Dann hätte der Verein die ganzen Dörfer gegen sich und niemand würde sich mehr helfen lassen. Das Apal-Team versucht, die Einstellung der Menschen Tieren gegenüber zu ändern. Viele sind mit dem Denken aufgewachsen, dass Tiere nicht mehr wert sind als Gegenstände.

Schon mit den Kastrationsaktionen verändert sich etwas bei den Leuten. Sie merken, dass es anders geht, dass dieses Leid der Hunde nicht nötig ist, wenn sie vergiftet oder mit Steinen beworfen werden. Nach und nach gab es dank der Kastrationen weniger Streuner. Vorleben und das Gespräch suchen – das bewirkt schon einiges.

Warum werden die Kettenhunde denn ausgetauscht?

Weil sie alt oder krank werden und die Leute sie dann nicht mehr versorgen können. Es ist billiger, einen neuen Hund anzuschaffen, als den alten oder kranken zum Arzt zu bringen. Manche werden zum Glück zu Apal gebracht und vermittelt. Ich will aber betonen, dass nicht alle Menschen dort ihre Tiere schlecht behandeln. Viele lieben ihre Hunde. Aber sie sind für die meisten eben keine Haustiere in dem Sinne, wie wir das hier verstehen.

Ich habe gelesen, dass Apal auch Hundehütten aufstellt.

Ja, denn manche Kettenhunde sind nur an einer rostigen Tonne angeleint. Das war lange das typische Bild. Im Winter ist das natürlich kein ausreichender Unterschlupf und im Sommer heizen sie sich auf, sodass der Hund davon auch nichts hat. Dafür hat Apal ein Projekt ins Leben gerufen. Man kann extra für neue Hundehütten spenden. So können die Hunde sich wenigstens zurückziehen.

Spürt Apal etwas von der Coronakrise?

Ja, die Coronakrise macht das Problem gerade größer. Die Leute haben durch den fehlenden Tourismus weniger Geld und können sich darum oft noch weniger um ihre Hunde kümmern. Darum werden mehr als sonst ausgesetzt und manche davon landen am Ende bei Apal. Außerdem konnten die eigentlich schon vermittelten nicht ausgeflogen werden, da eine Weile keine Flüge gingen. Darum waren mehr Tiere als sonst in der Obhut des Teams.

Gibt es ein Hundeschicksal, das dich besonders berührt hat?

Viele! Viele Hunde sind irgendwo angeleint und erfahren keine Zuwendung. Ab und zu kommt jemand vorbei und wirft von Weitem Futter hin. Bei einem traf mich fast der Schlag. Er hing an einer 1,50 Meter langen Kette, damals ohne Hütte.

Ich werde diesen Hund nie vergessen – der hängt jetzt noch dran. Im Wassernapf war nichts, der Boden war grün. Im Futternapf lag eine Plastiktüte mit etwas Schimmligem drin. Um die Hütte herum überall Kot. Er kann ja nirgends sonst hin, um sein Geschäft zu machen. Keiner räumt das weg, außer Apal hin und wieder. Ich könnte weinen, wenn ich an ihn denke.

Das versteh ich gut.

Ein anderer sollte geschert werden. Als wir bei ihm ankamen, fiel uns auf, dass er komisch läuft. Weil wir davon ausgingen, dass seine Besitzerin ihn nicht zum Arzt bringen würde, haben wir das übernommen. Der Arzt stellte fest, dass der Hund Arthritis und eine schlimme Entzündung im Bein hat. Also haben wir beschlossen, den Hund erstmal bei uns zu lassen und zu versorgen.

Und rate mal, wann die Besitzerin gemerkt hat, dass er nicht mehr da ist und angerufen hat – nach drei Tagen. Apal bot an, den Hund für immer aufzunehmen, weil er in so schlimmem Zustand war. Sie sagte zu und wir waren so glücklich. Endlich hatte er es geschafft.

Nach ein paar Tagen wollte sie ihn aber leider doch zurückhaben. Wir sagten ihr, dass das nicht geht, weil er krank ist, aber sie bestand darauf. Also brachten wir ihn schweren Herzens zurück. Die Leute von Apal haben ein Verbot bekommen, nochmal nach ihm zu sehen. Natürlich gehen sie trotzdem hin und füttern ihn. Die Besitzerin merkt das gar nicht, da sie selbst so selten nach ihm sieht.

Wenn ich daran denke, wie er bei Wind und Wetter an der Kette hängt und keiner kümmert sich… Ich würde den armen Hund sofort auch noch aufnehmen, wenn ich könnte.

Wie viele Hunde hast du denn?

Fünf. Die Elli ist aus einem rumänischen Tierheim, aber drei hab ich von Apal. Den Chaplin hab ich vorletztes Jahr erst von Kreta mitgenommen, als ich dort helfen war. Er hat eine Behinderung an den Beinen. Ich war gleich in ihn verliebt, darum kam er mit mir nach Hause.

Was kann man als Leser tun? Kann man z. B. Flugpate werden?

Ja, auf jeden Fall. Dann einfach vorher melden und fragen, ob ein Pate gebraucht wird. Vor Ort kann man wunderbar mit Spazierengehen helfen, denn das fällt immer an. Und natürlich ist auch mit Spenden sehr viel geholfen, da die Versorgung teuer ist. Über 10.000 Euro kosten allein die Medikamente pro Jahr. Etwa 50 Hundehütten werden jährlich aufgestellt. 

Und was ganz wichtig ist: einen Hund aus dem Tierschutz adoptieren statt einen vom Züchter holen. Man rettet ihm damit das Leben.

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Von links nach rechts: Pete, Tünnes, Andrea, Chaplin, Elli und Frieda

Neben ihren fünf Hunden hat Andrea noch sechs Hasen, zwei Hühner und zwei Vögel – fast alle von unterschiedlichen Stellen gerettet.

Am besten lernst du sie selbst kennen: Schau auf ihrem Instagram-Kanal vorbei!

Liebe Andrea, ich danke dir von Herzen für das Gespräch. Du bist ein wahrer Segen für Tiere!