Die Antwort vorweg: Ja, so eine Beziehung kann gutgehen. Es kann sogar ganz wunderbar gehen. Wenn der Fleischesser wunderbar ist und der Veganer das nicht vergisst.
Ich hatte das Glück, solch einen wunderbaren Menschen an meiner Seite zu haben. Dass wir nicht mehr zusammen sind, hat nichts mit der Ernährung von mir oder ihm zu tun. Darum kann ich hier ganz unvoreingenommen aus dem Nähkästchen plaudern und euch erzählen, wie es für mich war, eine Beziehung und einen Haushalt mit jemandem zu führen, der nicht auf Käse und Fleisch verzichten wollte.
Als ich für diesen Text gebrainstormt habe, fielen mir zuerst folgende Worte ein:
Kompromisse
Verständnis
Liebe
Unverständnis
Ausblenden
Akzeptanz
Rücksicht
Eine Beziehung besteht immer aus Kompromissen, das hört und liest man ständig. Beide müssen dafür offen sein. Den anderen verbiegen oder zu etwas zwingen wollen, vielleicht sogar erpressen – das geht gar nicht. Glücklicherweise musste ich nur wenige Kompromisse hinsichtlich der Lebensmittel in unserer Küche eingehen. Der Grund: Mein Liebster von damals (und immer noch Freund) war offen und bereit, seine Essgewohnheiten zu überdenken. Er hörte sich alles an, was ich ihm erzählte, guckte Filme mit mir, und hatte dann irgendwann von selbst kaum noch Lust auf Fleisch. Der gemeinsame Kühlschrank bekam tote Tiere nur zu Gesicht, wenn Gäste sich selbst etwas mitbrachten.
Mit Käse kann ich leben. Der ekelt mich im Gegensatz zu Wurst und Co. nicht. Darum bin ich ihm für sein Verständnis sehr dankbar. Ja, ich bin es immer noch, denn ich habe Freunde, die von ihren Partnern weniger Entgegenkommen erfahren. Zum Teil viel weniger, und dann ist es wirklich schwierig.
Ich weiß noch, als er zum ersten Mal meine Hafermilch in den Kaffee schüttete, weil seine Kuhmilchpackung leer war. Etwas angewidert verzog er das Gesicht. Eines Tages war sie wieder leer und er hatte keine Lust, nur wegen Milch zum Supermarkt zu laufen. So kam es, dass er mehrere Tage hintereinander Hafermilch trank – und schwupps passten sich die Geschmacksnerven an. Jetzt ist es für ihn unvorstellbar, Kuhmilch zu trinken, und er rennt von einem Laden zum anderen, nur um die eine, die beste Hafermilch zu finden, die immer überall ausverkauft ist. Ihr wisst wahrscheinlich, welche ich meine.
In einer guten, liebevollen Beziehung findet man wichtig, was der andere wichtig findet.
So war es bei uns: Wir redeten und hörten uns zu. Ich erzählte ihm von meinen Beweggründen, er verstand mich, oder versuchte es zumindest. Liebe.
Und so kochte er netterweise immer vegan (oder benutzte für sich selbst eben anderen Käse als für mich) und fand meine Gerichte auch immer lecker. Gemecker, weil angeblich was fehlt oder das vegane Hackfleisch nicht schmeckt, gab es kein einziges Mal. Nur außerhalb, im Restaurant zum Beispiel, da gönnte er sich ab und zu ein Steak oder so etwas. Und hier schwankte mein Verständnis das ein oder andere Mal um in Unverständnis. Wie kann mein Lieblingsmensch in Kauf nehmen, dass Tiere sterben für seinen Appetit? Wie kann ihm das noch schmecken nach allem, was ich ihm erzählt und gezeigt habe? Nachdem wir auf der Autobahnraststätte zusammen in einen LKW mit verängstigten Ferkeln geschaut haben?
Er konnte es, weil er ein Mensch ist und wir Menschen alle die Fähigkeit dazu haben: etwas Unangenehmes ausblenden. Ich habe mich dafür entschieden, das Tierleid auf dieser Welt nicht auszublenden. Aber ich blende dafür andere Dinge aus. Oder nehme sie in Kauf, weil ich mein Leben sonst zu sehr ändern müsste. Der Verzicht aufs Fliegen fällt mir zum Beispiel unheimlich schwer, weil Reisen eine große Leidenschaft von mir ist. Ich schreibe diesen Text aus Bangkok, und natürlich habe ich das Flugzeug genommen.
Wir alle tun Dinge, die in den Augen von anderen ein No-Go sind, die moralisch fragwürdig sind und die wir vielleicht sogar selbst nicht richtig finden.
Wir tun sie trotzdem, weil wir es können, weil die Gesellschaft es uns so furchtbar einfach macht, keine andere Lösung zu finden, und weil wir ungern rausgehen aus der Komfortzone und unsere Gewohnheiten nur widerwillig ändern. Dieser Gedanke half mir sehr, damit klarzukommen, wenn mein Freund gerade mal wieder Fleisch aß. Akzeptanz für jeden, der gegen unsere eigenen Ideale handelt, ist wichtig, um nicht irgendwann griesgrämig und allein dazustehen, mit den eigenen Werten zwar, aber ohne Gefährten.
Er hat sich vorrangig mit anderen Themen beschäftigt, Tierschutz stand dagegen hauptsächlich wegen mir auf seiner Prioritätenliste. Und das ist okay so. Ich hätte es mir natürlich trotzdem anders gewünscht.
Wir sind mit dieser Art und Weise, mit unterschiedlichen Essgewohnheiten umzugehen, sehr gut gefahren. Wir haben Rücksicht aufeinander genommen und die Wünsche des anderen nicht als Spinnerei oder als moralisch verwerflich betrachtet – oder wir haben es zumindest nicht ausgesprochen.
Denn eines kann ich natürlich nicht leugnen, obwohl wir es super hinbekommen haben: Es ist noch besser, wenn beide sich gleich ernähren. Ganz klar. Und ich wünsche mir das für eine neue Beziehung, die es vielleicht irgendwann einmal geben wird. Wenn beide aus der gleichen Überzeugung heraus vegan leben, sind sogar diese kleinen Unstimmigkeiten, die wir hatten, kein Thema. Andererseits gibt es dann bestimmt andere stattdessen. Irgendwas ist schließlich immer. Aber ich kann mir vorstellen, dass es trotzdem für beide noch einfacher wäre, auch für den Fleischesser. Gemeinsam an einem Strang zu ziehen, stärkt eine Beziehung enorm. In jeder Hinsicht: in der Familienplanung, der Wohnweise, den Reisevorstellungen, den Vorstellungen vom Leben. Und eben auch in der Ernährung.
Hi, ich bin Annette, freiberufliche Texterin. Hier schreibe ich über Tierschutz im Alltag – weil ich daran glaube, dass jeder Mensch glücklich leben kann, ohne durch seine Gewohnheiten anderen Lebewesen zu schaden.