Wer Tiere sehen will, geht meist in den Zoo oder einen Tierpark. Ich hab eine bessere Idee für dich: Finde heraus, ob es in deiner Nähe einen Lebenshof gibt. Dort kannst du verschiedenste Tiere beobachten und ihnen außerdem ganz nahe sein.
Da mir die Nähe zu Tieren immer furchtbar fehlt, habe ich neulich genau das gemacht: Ich habe einen Lebenshof besucht, auf dem ganz viele wunderbare Tiere leben. Genauer gesagt: Tiere, die keiner mehr haben will, die Probleme für ihre Herrchen bedeuten und deshalb abgegeben wurden, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind oder ein anderes trauriges Schicksal haben.
Der Hof Chaoti in der Nähe von Leipzig ist unter anderem die Heimat von einer Rasselbande aus Hunden, die mich sofort freudig begrüßten. Gibt es menschenfreundlichere Wesen als Hunde? Vor allem nach den Erzählungen von Regina, der Chefin des Hofes, wunderte ich mich über die Offenheit, die mir die Hunde entgegenbrachten. Viele von ihnen stammen aus Rumänien, wo sie auf der Straße lebten – und was das bedeutet, weiß jeder Tierfreund zumindest aus Berichten. Nur ein einziger wollte zuerst mit einem Leckerli „bestochen“ werden.
Traumatisierte Hunde finden hier Frieden
Straßenhunde, die von den verschiedensten Organisationen nach Deutschland vermittelt werden, haben häufig starke psychische oder körperliche Probleme. Wer sie adoptiert, meint es gut mit ihnen, hat Mitleid und möchte helfen. Leider bedenken manche nicht, dass die Hunde verängstigt und traumatisiert sind. Ein Hundeleben, wie wir es gewöhnt sind, kennen sie nicht. Sie haben zum Beispiel Angst vor Straßenbahnen und Autos, kommen mit Menschen nicht klar oder sind krank. Oft ist viel Zeit, Geld und Durchhaltevermögen notwendig, damit diese Hunde „normal“ werden. Und daran scheitert es dann – sie werden abgegeben oder ausgesetzt. Der Hof Chaoti hat sich vielen von ihnen angenommen. Klar hab ich alle, die wollten, ausgiebig gekrault und mich abschlecken lassen.
Kleine große Sensibelchen
Besonders freute ich mich jedoch auf die drei Hängebauchschweine. Ich hatte zuvor noch nie ein Schwein berührt und war deshalb ganz aufgeregt und neugierig, wie das wohl sein würde. Borsten heißen Borsten, weil es sich um drahtige, robuste Haare handelt. Aber ich hatte keine Ahnung, wie empfindlich diese Borsten sind! Als von den drei schlafenden und laut schnarchenden (es war ein sehr heißer Tag) endlich eins aufwachte und sich aus dem Stroh erhob, nutzte ich die Gelegenheit und strich sacht über seinen Rücken. Sofort grunzte es los, und zwar obwohl es stellenweise noch eine getrocknete Schlammschicht auf der Haut hatte. Faszinierend! Ich hätte ewig zugucken können, wie flink diese riesigen runden Tiere ihre Nasen bewegen, wenn man ihnen Tomaten und Champignons davorhält, oder Hühner auf dem Rücken spazieren tragen.
Meine persönliche Heldin: Auguste
Sehr beeindruckt hat mich auch die Begegnung mit Auguste. Auguste ist fast immer bei den Hängebauchschweinen zu finden, und es kann sein, dass sie sich selbst für eins hält, wie Regina sagte. Ich mochte Auguste vor allem wegen ihres Muts, der sich sofort zeigte. Mit meiner unbändigen Tierliebe gehe ich manchmal etwas zu stürmisch auf die Tiere zu – Auguste fauchte mich erst einmal skeptisch an, als ich ihr zu nahe kam. Kennt man ihre Geschichte, ist dieses abwehrende Verhalten mehr als verständlich. Kurz vor ihrer Schlachtung schaffte sie es, zu entkommen und sich ins Dorf des Hofs Chaoti zu retten. Sie klopfte mit dem Schnabel an eine Gartentür, und wurde tatsächlich aufgenommen und zum Hof gebracht. Hier verscheucht sie nun todesmutig den Fuchs, der nachts ab und zu vorbeikommt.
Für mich ist die Geschichte von Auguste ein super Beispiel dafür, dass Tiere eigene Persönlichkeiten sind, Erfahrungen machen, die sie prägen, und vor allem ihren ganz eigenen Willen haben. Es ist, als ob Auguste sich ihr neues Leben nicht mehr nehmen lassen will und es mit ganzer Kraft verteidigt – solch einen Kampfgeist hätte ich ihrer Art nicht zugetraut. Ach so, ganz vergessen zu erwähnen: Auguste ist eine Gans!
Lebensprojekt Lebenshof
Natürlich half ich neben den ehrenamtlichen Helfern auch ein wenig mit und schnippelte Gemüse für die Hasen und Meerschweinchen. Eine Weile setzte ich mich zu den neugierigen kleinen Wachteln und Wellensittichen, sagte den Hühnern Hallo und streichelte die Katzen. Ein paar Ponys leben etwas entfernt auf einem Grundstück und sogar Fische haben ein Zuhause auf dem Hof gefunden. Dafür musste extra ein Teich angelegt werden. Für Tiere in Not ist manchen Menschen eben keine Mühe zu groß.
Regina und ihre Helferinnen sind solche selbstlosen Menschen. Dank ihrer Arbeit haben so viele Tiere ein friedliches Leben und können ihren Instinkten nachgehen. Viel zu wenige Menschen sind bereit, ein großes Stück Freiheit für andere Wesen zu opfern. Ich schließe mich mit ein – momentan kann ich mir nicht vorstellen, nicht alle paar Wochen irgendwo hinzureisen. Irgendwann einmal ändert sich das vielleicht.
Was du tun kannst
Was ich aber jetzt schon tun kann, ist eine Patenschaft für ein Tier zu übernehmen. In meinem Fall ist es Spikey geworden, der am meisten verschmuste kleine Hund der Rasselbande. Er hat Alzheimer und vergisst manchmal, wie man sich als Hund verhält. Hier ist der kleine Schatz:
Natürlich profitiert der Hof auch enorm von einer einmaligen Spende. Und wenn du mit eigenen Augen sehen willst, wie es den Tieren geht, dann melde dich bei Regina und mach einen Besuchstermin aus. Freiwillige Helfer sind ebenso gern gesehen und auf jedem Lebenshof unabdingbar. (Apropos: Kennst du schon meinen Bericht über mein Volunteering in Ecuador?)
Was du aber auf keinen Fall tun solltest: Tiere vorbeibringen. Der Hof Chaoti ist kein Tierheim, sondern ein Gnadenhof. Zudem ist er leider ausgelastet und kann vorerst kein Tier mehr aufnehmen. Wenn du ein hilfsbedürftiges Tier gefunden hast, dann melde dich bei dem nächsten Tierheim, einer Tiernotrufnummer oder auch bei der Polizei.
So, das war also mein Tag auf dem Hof Chaoti. Die wichtigste Botschaft, die ich daraus mitgenommen habe: Mich hat der Tag unendlich viel glücklicher gemacht als ein Tag im Zoo, im Zirkus oder in einer anderen Einrichtung, in der Tiere zu Unterhaltungszwecken ihr Dasein fristen. Was sich mir außerdem wieder einmal bestätigt hat: Jedes Tier ist einzigartig in seiner Persönlichkeit und es ist unglaublich spannend, diese Persönlichkeiten kennenzulernen.
Hi, ich bin Annette, freiberufliche Texterin. Hier schreibe ich über Tierschutz im Alltag – weil ich daran glaube, dass jeder Mensch glücklich leben kann, ohne durch seine Gewohnheiten anderen Lebewesen zu schaden.